Wasser als Metall 

29. Juli 2021

Bei Normalbedingungen ist reines Wasser fast ein elektrischer Isolator. Wasser würde nur in einen metallischen Zustand unter extremem Druck übergehen, wie er gerade im Innern von sehr großen Planeten herrscht. Nun hat eine internationale Kooperation mit einem ganz anderen Ansatz metallisches Wasser erzeugt. 

Wasser leitet Strom, so lernt man das in der Schule – aber damit ist meist das Leitungswasser gemeint, das gelöste Salze enthält, die als Ionen die eigentlichen Ladungsträger sind. Reines, deionisiertes Wasser kommt dagegen einem perfekten Isolator sehr nahe. Es besteht lediglich aus neutralen H2O-Molekülen, die miteinander ein Netzwerk über Wasserstoffbrückenbindungen ausbilden. Dabei bleiben die Elektronen in den Molekülorbitalen gebunden und können sich nicht frei im Wasser bewegen. Um flüssiges Wasser in einen metallischen Zustand zu bringen, müsste man es so stark unter Druck setzen, dass die äußersten Molekülorbitale anfangen zu überlappen, wobei dann ein sogenanntes metallisches Leitungsband aus frei beweglichen Elektronen entsteht. Berechnungen zeigen jedoch, dass der dafür nötige Druck mechanisch praktisch nicht erzeugt werden kann und aber möglicherweise im Inneren von sehr großen Planeten wie dem Jupiter vorhanden sein könnte. 

Eine internationale Kooperation aus 15 Wissenschaffenden an elf Forschungseinrichtungen hat einen völlig anderen Ansatz gewählt, um Wasser mit metallischen Eigenschaften erzeugen. Sie experimentierten dazu mit Alkalimetallen, die ihr äußeres Elektron sehr leicht abgeben und die sich selbst auch leicht in Wasser lösen. 

Die Chemie zwischen Alkalimetallen wie Natrium oder Kalium und Wasser kennt man als hochexplosiv –viele werden  sich an das Schulexperiment erinnern, in dem  Natrium sofort anfängt zu brennen sobald es mit Wasser in Kontakt kommt. Hier wählte das Forscherteam den umgekehrten Ansatz um die explosive chemische Reaktion zu vermeiden: nicht Alkalimetall wurde ins Wasser gegeben, sondern umgekehrt: Wasser wurde auf einen Tropfen aus Alkalimetall aufgedampft.

Dazu wurden Tropfen der sogenannten Natrium-Kalium-Legierung – eines Flüssigmetall – durch eine  ~100 µm dünne Kapillare in einer Vakuumkammer erzeugt. Die silbernen Tropfen wachsen dabei etwa 10 Sekunden lang bis sie sich lösen und in einen Auffangbehälter herunterfallen. Lässt man nun zusätzlich noch etwas Wasserdampf in die Vakuumkammer strömen so bildet sich an der Oberfläche des Tropfens eine sehr dünne Schicht aus Wassermolekülen. Dabei gehen quasi sofort sowohl Elektronen als auch Natrium- und Kalium-Ionen im Wasser in Lösung. 

„Man sieht die Veränderung mit bloßem Auge! Der silbrige glänzende Natrium-Kalium-Tropfen überzieht sich für einige Sekunden mit einem goldenen Schimmer“, berichten die drei Erstauthoren Dr. Phil Mason, Dr. Christian Schewe und Dr. Tillmann Buttersack. Das war genug Zeit für das Team um Pavel Jungwirth von der Tschechische Akademie der Wissenschaften in Prag, der auch im Zuge eines Research Award der Alexander von Humboldt Stiftung am FHI tätig ist, um mit spektroskopischen Methoden näher zu untersuchen, in welchem Zustand sich das Wasser an der Oberfläche befindet. 

Mittels UV-Vis Reflektions-spektroskopie konnte eine Absorptionsbande im blauen Teil des optischen Spektrums ermittelt werden, die die goldene Färbung des Metalltropfens erklärt. Mit Hilfe von Synchrotron-Röntgen-Photoelektronenspektroskopie konnten am BESSY II in Berlin Adlershof noch tiefere Einblicke in die elektronische Struktur ermittelt werden: „Wir konnten in den Photoelektronenspektren sowohl einen Peak, der bei etwa 2,7 eV liegt, als Plasmon als auch ein Leitungsband mit einer Breite von ungefähr 1,1 eV mit einer scharfen Fermikante identifizieren. Diese spektralen Features zeigen eindeutig, dass die wässrige, goldene Lösung metallische Eigenschaften aufweist“ erklären Dr. Bernd Winter, Dr. Hebatallah Ali und Dr. Florian Trinter vom FHI. 

Die Wissenschaffenden haben für einen kurzen Moment beobachtet, dass sich eine metallische Wasserlösung bildet, wenn wohl dosierte  Mengen an Wasserdampf auf Alkalimetall adsorbieren, bevor sich eine Hydroxidlösung  bildet. Im Prinzip kann man sich die Metallisierung von Wasser wie ein Doping mit Alkalimetall vorstellen, ähnlich wie man in der Festkörperphysik Halbleiter in einen metallischen Zustand versetzt, indem man mit Fremdatomen dopt. 

 

 


 

 

 

 

 



Weitere interessante Beiträge

Zur Redakteursansicht