Wie die lokale Festkörperchemie die Leistung von Lanthan-Strontium-Manganat-basierten Festoxid-Elektrolysezellen bestimmt und begrenzt
Festoxid-Elektrolysezellen (SOECs) sind effiziente elektrochemische Zellen, die elektrische Energie in chemische Energie umwandeln, indem sie Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff oder Kohlenstoffdioxid in Kohlenstoffmonoxid und Sauerstoff spalten. Ein Team von Wissenschaftlern des Fritz-Haber-Instituts und des Forschungszentrums Jülich hat bislang unbekannte Einblicke gewonnen, wie atomare Veränderungen während des Betriebs die Leistung von SOECs beeinflussen. Dafür untersuchte es Alterungs- und Strukturveränderungen der aktiven Grenzfläche zwischen einer Lanthan-Strontium-Manganat (LSM) Elektrode und dem Elektrolyten Yttrium-Stabilisiertes Zircondioxid (YSZ). Ihre Ergebnisse verdeutlichen, wie die lokale Festkörperchemie, Kationendiffusion und die Bildung sekundärer Phasen die Leistung und Stabilität von SOECs beeinflusst und ebnen den Weg für Strategien zur Verbesserung der Lebenszeit und Effizienz dieser Zellen.
Festoxid-Elektrolysezellen und ihr Funktionsmechanismus
Festoxid-Elektrolysezellen (SOECs) können elektrische Energie in chemische Energie umwandeln, indem sie Wasser (H2O) in Wasserstoff (H2) oder Kohlenstoffdioxid (CO2) in Kohlenstoffmonoxid (CO) spalten. Sie arbeiten bei hohen Temperaturen (typischerweise im Bereich von 600–900 °C) und verwenden ein Festoxid-Keramikmaterial als Elektrolyt, welches namensgebend für diese „Festoxid“-Elektrolysezellen ist. Durch ihren Betrieb bei hohen Temperaturen können SOECs hohe Effizienzen bei der Erzeugung von Wasserstoff oder anderen Gasen erreichen, wodurch sie sich hervorragend als zeitweise Energiespeicher für erneuerbare Energiequellen wie Sonnen- oder Windenergie eignen. Die hohen Betriebstemperaturen begünstigen jedoch auch chemische Wechselwirkungen und strukturelle Veränderungen der verwendeten Materialien, welche die Leistung der Zellen beeinträchtigen. Dies kann zu schneller Deaktivierung der Zellen führen, was die Lebensdauer der Elektrolyseure begrenzt. Die dafür verantwortlichen atomaren Veränderungen sind noch nicht vollständig verstanden.
Atomare Veränderungen beeinflussen Leistung und Stabilität von SOECs
In einem gemeinsamen Projekt haben Wissenschaftler der Theorieabteilung und der Abteilung für Anorganische Chemie des Fritz-Haber-Instituts der Max-Planck-Gesellschaft in Zusammenarbeit mit dem Forschungszentrum Jülich bahnbrechende Einblicke in die Auswirkungen der lokalen Festkörperchemie auf die Leistung von SOECs gewonnen. Durch die Kombination von hochauflösender Rastertransmissionselektronenmikroskopie mit atomistischen Simulationen auf Basis von Kraftfeldern und ab initio Methoden konnten sie diffusionsinduzierte Veränderungen auf atomarer Ebene in einer SOEC nachweisen, die 550 Stunden lang betrieben wurde. Detaillierte Einblicke erhielt man insbesondere von den strukturellen Veränderungen an der Grenzfläche zwischen der Lanthan-Strontium-Manganat (LSM)-Elektrode und dem Yttrium-stabilisierten Zirkondioxid (YSZ)-Elektrolyten sowie der Materialen selbst während des Betriebs der Zelle beschrieben. Beide Materialien, LSM und YSZ, sind für SOECs essenziell, wobei LSM als effiziente Elektrode hervorragend Elektronen leitet und YSZ eine hohe Sauerstoff-Ionenleitfähigkeit bietet. Gemeinsam ermöglichen sie die Sauerstoffentwicklung in den Zellen während der Elektrolyse.
Eine der wichtigsten Erkenntnisse der Studie ist, dass die Kationen signifikant zwischen den beiden Keramiken diffundieren, was lokal zur Bildung und Wachstum vollkommen neuer Strukturen führt. Dazu gehören kleine Bereiche fester Lösungen, sekundärer Phasen oder Defekte im YSZ sowie Zonen mit gemischter Ion- und Elektronenleitung in der Grenzfläche und im LSM. Je nach Form und Lage können diese Veränderungen entweder die Zellleistung verbessern, indem sie die Elektronen- und Ionenleitfähigkiet erhöhen, oder den Sauerstoffionentransport verringern. Dies verdeutlicht erstmalig den Einfluss verschiedener lokaler atomarer Strukturen auf die Leistung von SOECs.
Wege zur Verbesserung der SOEC-Leistung: Nutzung von atomaren Erkenntnissen zur Verbesserung der Haltbarkeit und Effizienz
Die Ergebnisse der Studie unterstreichen den Wert atomar-aufgelöste Experimente mit theoretischen Modellen zu kombinieren und stimuliert die Entwicklung weiterer Alterungs- und Operando-Experimente zur Untersuchung struktureller Veränderungen und deren Auswirkungen auf Grenzflächen. Letztlich verbessert diese Forschung unser Verständnis der Degradationsmechanismen in SOECs und ebnet den Weg für die Entwicklung von nanoskopischen, rationalen Grenzflächen-Designs zur Schaffung effizienterer und langlebiger Elektrolysezellen.
“Diffusionsprozesse in Festkörpern sind langsam. Die Studie zeigt eindrucksvoll, dass Langzeitmessungen unerlässlich sind, um das Deaktivierungsverhalten von SOECs zu untersuchen und zu verstehen.”, sagt Dr. Thomas Lunkenbein, korrespondierender Autor und Gruppenleiter für Elektronenmikroskopie in der Abteilung Anorganische Chemie am Fritz-Haber-Institut.
Dr. Hanna Türk, Erstautorin und Mitglied der Theorieabteilung am Fritz-Haber-Institut, die derzeit als Postdoktorandin an der EPFL arbeitet, erläutert, dass die Ergebnisse der Studie eine vielversprechende Zukunft für SOECs verheißen: „Es ist das erste Mal, dass wir die Eigenschaften und Alterungsprozesse der Festkörpergrenzflächen so detailliert untersuchen konnten. Dies ermöglicht uns, die Ursachen der Zelldeaktivierung zu verstehen und nun gezielt Methoden zu entwickeln, um die Lebensdauer der Zellen zu verlängern.“