Deutschlands Weg zu Open Access für wissenschaftliche Publikationen
Ein Interview mit Prof. Dr. Gerard Meijer
Die wissenschaftliche Gemeinschaft in Deutschland verfolgt entschlossen das Ziel, das akademische Publikationssystem von einem abonnementbasierten System, in dem Publikationen hinter einer Bezahlschranke verschlossen sind, in ein System umzuwandeln, in dem es einen offenen Zugang (Open Access) zu wissenschaftlichen Publikationen gibt. In einem Gespräch mit Prof. Dr. Gerard Meijer, Direktor der Abteilung Molekülphysik am Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft, Mitglied des Wissenschaftsrates und stellvertretender Sprecher des DEAL-Konsortiums, werden die Bedeutung von Open Access und die kürzlich unterzeichneten Vereinbarungen zwischen dem DEAL-Konsortium und den großen Verlagen Elsevier, Wiley und Springer Nature diskutiert.
1. Warum Open Access?
Prof. Meijer betont, dass „offen zugängliche Publikationen von anderen Forschenden in größerem Umfang gelesen, überprüft und genutzt werden können. Dies erhöht die Qualität der Forschung und beschleunigt den wissenschaftlichen Fortschritt. Open Access macht wissenschaftliches Wissen auch außerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft breiter verfügbar und senkt die Schwelle für verschiedene Transferaktivitäten. Dies erhöht die gesellschaftliche Wirksamkeit der (öffentlich finanzierten) Forschung. Es ist keine Frage mehr: Open Access ist die Zukunft, und der Druck von Seiten der Förderorganisationen und von gesellschaftspolitischer Seite wächst, die Open-Access-Veröffentlichung von Forschungsergebnissen zum Standard zu machen. Genauso ist es auch im aktuellen Koalitionsvertrag der Bundesregierung formuliert."
2. Was ist DEAL?
DEAL ist die Abkürzung für die „DEutsche Allianz für Lizenzen", die vor etwa einem Jahrzehnt gegründet wurde, um bundesweite Lizenzverträge mit großen Verlagen auszuhandeln. Prof. Meijer erklärt: „DEAL wurde von der Deutschen Allianz der Forschungsorganisationen ins Leben gerufen, die aus zehn Mitgliedern besteht, darunter die MPG, die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und die Hochschulrektorenkonferenz (HRK). Ziel des DEAL-Projekts war es, mit den großen Verlagen Verträge auszuhandeln, um allen deutschen wissenschaftlichen Einrichtungen Lesezugriff auf alle veröffentlichten Inhalte zu reduzierten und transparenten Kosten zu ermöglichen und um auf ein Open-Access-Publikationssystem umzustellen. Für die Abwicklung der bundesweiten Verträge wurde eine „DEAL-Betriebsgesellschaft" (MPDL Services gGmbH) neu gegründet. Dabei handelt es sich um eine Tochtergesellschaft der Max Planck Digital Library (MPDL), die das in der MPDL vorhandene Know-how teilt und ausbaut. Dies verdeutlicht die entscheidende Unterstützung der MPG für das DEAL-Projekt, ganz im Sinne der internationalen Führungsrolle, die die MPG bei der Verwirklichung von Open Access übernommen hat."
3. Vorteile für Forschende?
Open Access erhöht die Sichtbarkeit der veröffentlichten Forschungsergebnisse, was für die Forschenden von unmittelbarem Nutzen ist, da sie wollen, dass ihre Forschungsergebnisse und Schlussfolgerungen weit bekannt sind und anerkannt werden. Ein wesentlicher Vorteil der Open-Access-Veröffentlichung ist, dass die Copyrights bei den Autor*innen verbleiben. Prof. Meijer erklärt: „Die Copyrights bleiben jetzt dort, wo sie hingehören, nämlich bei den Autor*innen. Im Nachhinein ist es wirklich seltsam, dass die Forschenden diese Rechte im Subskriptionssystem immer an die Verlage übertragen haben. Die Verlage verlangten dies strikt, es war die Grundlage ihres Geschäfts, und die Wissenschaftler*innen gehorchten, weil die Drohung lautete, dass der Artikel sonst nicht veröffentlicht werden würde."
4. Was muss bei Open Access beachtet werden?
Da die Lesenden nicht mehr zahlen müssen, um Zugang zu den wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu erhalten, müssen die Kosten für die Veröffentlichung anderweitig gedeckt werden, entweder durch die Autor*innen, d.h. durch die Arbeitgebenden oder Fördereinrichtung, oder durch einen Dritten. Prof. Meijer zitiert eine Erklärung des Wissenschaftsrates, wonach „die Verbreitung der wissenschaftlichen Ergebnisse eines Forschungsprojekts ein integraler Bestandteil dieses Forschungsprojekts ist und diejenigen, die die Forschung finanzieren, auch die Veröffentlichung finanzieren sollten". Er erklärt dann, dass „in Deutschland die Publikationen etwa 1-2% der Forschungskosten ausmachen, die daher Teil der Forschungsfinanzierung sein müssen. Es ist jedoch wichtig, dass die Finanzierungsströme so organisiert werden, dass Open Access keine zusätzliche (finanzielle) Belastung für die Autor*innen bedeutet. Bibliotheksbudgets, die in der Subskriptionsära für den Lesezugang verwendet wurden, müssen umgewidmet werden, um die Kosten für Publikationen in der Open-Access-Ära zu decken. Innerhalb der MPG werden die Kosten für Open-Access-Publikationen auf genau diese Weise zentral gedeckt, und dies war eine wichtige Grundlage für die DEAL-Vereinbarungen."
5. Welche Rolle spielten Sie als Mitglied des Wissenschaftsrates für das Fritz-Haber-Institut (FHI)?
Prof. Meijer ist seit 2018 Mitglied des Wissenschaftsrates. Er betont, dass seine Rolle im Wissenschaftsrat völlig unabhängig von seiner Position als Direktor am FHI ist. Er sagt, dass er höchstwahrscheinlich aufgrund seiner (internationalen) Erfahrung als Präsident der Radboud Universiteit in Nijmegen (in der Zeit von 2012 bis 2016) für den Wissenschaftsrat nominiert wurde. Die MPG ist im Wissenschaftsrat in der Regel durch zwei ihrer wissenschaftlichen Mitglieder vertreten, oft ehemalige Sektionsvorsitzende oder Vizepräsident*innen. Im Wissenschaftsrat war Prof. Meijer maßgeblich daran beteiligt, das Thema Open Access auf die Tagesordnung zu setzen, und er leitete die Arbeitsgruppe, die die Empfehlungen zur Umstellung des wissenschaftlichen Publikationssystems auf Open Access ausarbeitete ( https://doi.org/10.57674/fyrc-vb61 ).
6. Was wünschen Sie sich für die Zukunft im Bereich Open Access?
Zum Abschluss des Interviews drückt Prof. Meijer die Hoffnung aus, dass die Leitung der akademischen Einrichtungen ihre Verantwortung für die Umstellung auf Open Access sehr ernst nimmt. „Allzu oft", so Prof. Meijer, „wird dies als eine Aufgabe nur für die Bibliothekar*innen angesehen, aber da es auch um die Umverteilung von Forschungsgeldern geht, ist diese Aufgabe wirklich größer als das, und sie muss von der akademischen Leitung aufgegriffen und koordiniert werden. Die wissenschaftlichen Einrichtungen müssen ein Informationsbudget einrichten, da sie die Verantwortung dafür tragen, dass alle Forschenden mit ausreichenden Mitteln ausgestattet werden, um ihre Ergebnisse angemessen und qualitätsgesichert veröffentlichen zu können." Im Rahmen der drei neuen Vereinbarungen, die jetzt in Kraft getreten sind, werden in den kommenden fünf Jahren voraussichtlich mehr als 150 000 wissenschaftliche Artikel aus Deutschland im Open-Access-Verfahren veröffentlicht werden, wodurch die Sichtbarkeit der deutschen Forschung weltweit erhöht wird. Die Max-Planck-Gesellschaft ist mit einem Anteil von rund 95 % offen zugänglicher wissenschaftlicher Arbeiten führend in diesem Bereich, und es ist zu hoffen, so Prof. Meijer, „dass viele andere Institutionen im In- und Ausland bald nachziehen werden."