Neue Einblicke in Membranstrukturen: Durchbruch in SFG-Mikroskopie

22. April 2024

Die Abteilung für Physikalische Chemie am Fritz-Haber-Institut hat eine bemerkenswerte Studie in Nature Communications veröffentlicht. Der Artikel mit dem Titel „Spiral Packing and Chiral Selectivity in Model Membranes Probed by Phase-Resolved Sum-Frequency Generation Microscopy" zeigt einen Durchbruch in der molekularen Bildgebung und liefert beispiellose Einblicke in die Struktur biologischer Membranen.

Biologische Membranen bestehen aus verschiedenen chiralen Phospholipiden, die komplexe molekulare Anordnungen bilden. Diese Muster sind entscheidend für die Funktionen der Membranen in biologischen Prozessen. Die detaillierte Struktur dieser molekularen Anordnungen war bisher aufgrund von Defiziten in bestehenden Bildgebungstechniken schwierig zu untersuchen.

Die Nonlinear Interfacial Spectroscopy Gruppe stellt eine leistungsstarke neue Bildgebungsmethode vor, die Molekülschwingungen mittels Summenfrequenz-Mischung (SFG) räumlich aufgelöst detektiert. Diese Technik hat es ihnen ermöglicht, die detaillierte Organisation von Phospholipidmolekülen in biologischen Membranen zu beobachten. Die Studie zeigt, dass diese Moleküle in Spiralen angeordnet sind, die durch die Chiralität (Händigkeit) der Moleküle bestimmt werden. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass Mischungen verschiedener Enantiomere (Spiegelbildformen) Strukturen erzeugen, die eindeutig die Spiegelsymmetrie brechen. Dieser Befund hebt die Rolle der Chiralität bei der Bildung dieser Strukturen hervor und demonstriert ihre starke Enantioselektivität.

Diese Forschung bietet wichtige Einblicke in die molekulare Struktur biologischer Membranen und gibt Einblicke in die Frage warum die Evolution ausschließlich homochirale Membranen in allen Lebensformen hervorgebracht hat. Sie eröffnet auch neue Wege zum Verständnis biologischer Prozesse und verwandter molekularer Systeme, indem sie einen bedeutenden Fortschritt in der molekularen Charakterisierung auf mikroskopischer Ebene bietet.

In die Tiefe: Wissenschaftliche Erkenntnisse

Am Ende des letzten Jahrhunderts wurde das Lipid-Raft-Modell vorgestellt, das erhebliche Aufregung im Bereich der Membranforschung auslöste, da erkannt wurde, dass Phospholipidmembranen hochgradig heterogen sein können. Da diese strukturelle Heterogenität tiefgreifende Auswirkungen auf viele mit der Membran verbundene zelluläre Funktionen hat, führten solche Erkenntnisse zu erheblicher Forschungsaktivität, um die Effekte verschiedener lateraler Anordnungen und In-plane-Packungsstrukturen der Membrankomponenten zu charakterisieren und zu verstehen, sowie deren mögliche Rolle in physiologischen Prozessen zu bestimmen. Trotz jahrzehntelanger Forschung ist jedoch sehr wenig über die wahre Natur von Lipid-Rafts bekannt, wie in der großen Anzahl von Übersichtsartikeln der letzten 20 Jahre deutlich hervorgehoben wird. Um einen wesentlichen Schritt vorwärts in unserem Verständnis von Lipid-Rafts zu machen, sind  neue Experimente erforderlich, die tiefergehende molekulare Information liefern. Dies gilt insbesondere für die Aufklärung der genauen molekularen Strukturen, die in solchen Membranen gebildet werden.

In dieser Arbeit präsentiert das Team die erste Untersuchung von Phospholipid-Monoschichten mit dem neu entwickelten phasenaufgelösten Schwingungs-Summenfrequenz- (SFG) Mikroskop. Durch die Analyse der kondensierten Domänen (Lipid Rafts), die in Monoschichten aus gemischten chiralen Lipiden geformt werden, bestimmen sie die vollständigen Details der auftretenden molekularen Strukturen. Sie finden, dass die scheinbar symmetrischen mesoskopischen Strukturen (die kreisförmige Morphologien aufweisen) tatsächlich eine räumlich ausgedehnte strukturelle Chiralität besitzen. Interessanterweise weisen die Domänen eine komplexe hierarchische Struktur auf, die eine spiralförmige molekulare Anordnungen mit einer klaren Abweichung von der Spiegelsymmetrie zwischen verschiedenen enantiomeren Mischungen zeigt. Darüber hinaus zeigen sie, dass die resultierenden Domänen unterschiedliche molekulare Zusammensetzungen und Orientierungsordnung besitzen. Dieses klare Brechen der Spiegelsymmetrie ist das Resultat von enantioselektiven Wechselwirkungen in der Membran und hat Auswirkungen auf viele physiologische Prozesse, die auf chiraler Erkennung beruhen, und liefert wichtige Hinweise zu der Frage  warum die Evolution ausschließlich homochirale Membranen in allen Lebensformen hervorgebracht hat. Während andere Studien, die Techniken wie Fluoreszenz- und Brewster-Winkel-Mikroskopie verwenden, viele Wachstums- und morphologische Eigenschaften dieser Rafts in Modellmembranen charakterisiert haben, ist dies die erste Studie, die ihre genaue molekulare Struktur offenbart, einschließlich der Verteilung der molekularen In-plane-Orientierungen – ein entscheidender Aspekt bei der Aufklärung ihrer Eigenschaften.

Gleich wichtig wie das Ergebnis dieser Studie ist der technologische Aspekt der Entwicklung. Obwohl es viele vorherige Studien mit SFG-Mikroskopie gibt, haben die typischerweise sehr kleinen Signalintensitäten, die erzeugt werden, erhebliche Einschränkungen für die Arten von Proben gesetzt, die untersucht werden können. Dadurch wurden bisher entweder wesentlich dickere Filme (Multilagen) oder solche auf metallischen Substraten untersucht, bei denen allerdings keine In-plane-Informationen über die molekularen Orientierungen erhalten werden können. Hier wurden diese Einschränkung durch den Einsatz einer überarbeiteten Mikroskopiegeometrie in Kombination mit einem neu entwickelten Bildgebungssystem überwunden. Folglich repräsentiert diese Arbeit die erste erfolgreiche Schwingungs-SFG-Bildgebung einer molekularen Monoschicht auf einem nichtmetallischen Substrat, was eine grundlegende Voraussetzung ist, um die volle Stärke dieser Technik in der detaillierten Aufklärung molekularer Strukturen voll auszuschöpfen. Wie hier gezeigt, ermöglicht es insbesondere die direkte Untersuchungen der wichtigen Beziehung zwischen molekularer und struktureller Chiralität in molekularen Schichten. Diese Errungenschaft eröffnet daher die Tür zu einer neuen Klasse struktureller Charakterisierungen, die ein breites Spektrum von Forschungsbereichen umfasst, in denen lokale Heterogenität eine wichtige Rolle spielt. Dies umfasst molekulare Selbstorganisationen wie Membranen und Tenside, sowie andere Materialklassen, z.B. polymerische Komposite und polykristalline Materialien, bis zur mikroskopische Untersuchung anorganischer 2D-Materialien sowie phononischer Einkristalle. Das Team geht davon aus, dass diese Ergebnisse eine Welle von fortgeschrittenen strukturellen Untersuchungen in diesen Bereichen auslösen werden.

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