Erinnerungen an Horst Conrad

6. Juli 2020
Der Physiker Horst Günther Conrad, der mehr als 30 Jahre in den Abteilungen Oberflächenphysik und Molekularphysik tätig war, ist im März dieses Jahres leider verstorben. Das FHI gedenkt einem geduldigen Wissenschaftler und Pädagogen.

Horst Conrad war als Gruppenleiter von 1981 bis 2012 am Fritz-Haber-Institut tätig. Obwohl er seit 8 Jahren im Ruhestand war, erinnern sich viele der Mitarbeiter*innen hier an ihn und waren zutiefst betrübt, als sie erfuhren, dass er im Alter von nur 72 Jahren verstarb. "Conrad hatte über viele Jahre das Forschungsprofil des Instituts mitgeprägt und über mehrere Jahrzehnte für Tiefe und Breite in der deutschen Oberflächenwissenschaft gesorgt", sagt Prof. Gerard Meijer, Geschäftsführender Direktor und Leiter der Abteilung Molekularphysik.

Conrads Forschungsweg fand seinen Anfang in den 1970er Jahren in Hannover, wo der junge Gerhard Ertl, der später ebenfalls an das FHI kam und 2007 mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet wurde, seine erste Professur an der Technischen Universität antrat. Prof. Ertl betreute Conrads Diplomarbeit in Physik, die er mit Auszeichnung bestand, und anschließend wechselte Conrad 1973 mit ihm an die Ludwig-Maximilians-Universität München, um dort zu promovieren. "Die Forschungsgruppe mit Conrad in München war ein schlagkräftiges Team, alle promovierten sehr erfolgreich und machten Karriere, sei es in der Wissenschaft oder in der Industrie", erinnert sich Ertl.

Im Vordergrund von Conrads Doktorarbeit stand die Untersuchung der Struktur und Reaktivität von Metall- und Halbleiteroberflächen. Es war eine aufregende Zeit in der Oberflächenwissenschaft: Seit Ende der 1960er Jahre war es möglich, solche Experimente an sauberen, gut definierten, einkristallinen Oberflächen durchzuführen. Zu dieser Zeit erschienen mehrere wichtige Arbeiten aus der Ertl-Gruppe mit Horst Conrad als Erstautor, insbesondere über die Adsorption von Atomen und kleinen Molekülen auf Palladiumoberflächen, die mit niederenergetischer Elektronenbeugung (LEED), thermischer Desorptionsspektroskopie, Arbeitsfunktionsänderungen und später Photoemission untersucht wurden. Nach seiner Promotion, die er ebenfalls mit Auszeichnung bestand, begann Horst Conrad in der Ertl-Gruppe ein völlig neues Experiment: die Anwendung der Penning-Ionisationsspektroskopie auf das Adsorbatproblem, in der Hoffnung, genauere Informationen über adsorbatinduzierte elektronische Zustände zu erhalten als mit der Photoemission.

1981 nahm Horst Conrad das Angebot an, in die neu gegründete Abteilung für Oberflächenphysik am Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin unter der Leitung von Prof. Alex Bradshaw einzutreten. Dies ermöglichte es ihm und seiner Gruppe, ein optimiertes Penning-Spektrometer zu bauen und einige weitere Fortschritte auf einem Gebiet zu erzielen, das noch einige Jahre lang sein wissenschaftliches Hauptinteresse bleiben sollte. Conrad hatte auch ein besonders gutes Auge für die Einstellung talentierter und fähiger Kollegen, erinnert sich Alex Bradshaw. "Er arbeitete mit Martin Kordesch auf dem Gebiet der Schwingungsspektroskopie verschiedener Moleküle auf Metalloberflächen zusammen, insbesondere auf solchen, die die chemisch interessante Gruppe -CN enthalten", erklärt Bradshaw, "und Kordesch ist jetzt Professor am Fachbereich Physik der University of Ohio". Horst Conrad arbeitete später zusammen mit Ignacio Pascual an der Schwingungsspektroskopie von Adsorbaten in der 4K STM der Abteilung. Dies führte zu mehreren hoch zitierten Arbeiten in renommierten Zeitschriften, insbesondere zur so genannten Einzelmolekülchemie. Kurz darauf wurde Pascual zum Professor für Physik an der Freien Universität Berlin berufen und ist heute Ikerbasque Research Professor an der NanoGUNE in Spanien.

Nachdem Bradshaw 1998 das FHI verlassen hatte, wurde die Abteilung Oberflächenphysik durch die neue Abteilung Molekülphysik unter der Leitung von Prof. Gerard Meijer ersetzt. Horst Conrad wurde ein festes Mitglied der neuen Abteilung und arbeitete an einem Projekt, bei dem polare Moleküle mit Hilfe von elektrischen Feldgradienten, die von mikrostrukturierten Elektroden erzeugt werden, manipuliert wurden. Das letztendliche Ziel war die Herstellung einer Vielzahl von molekularen Manipulationswerkzeugen, darunter Linsen, Spiegel, Führungen, Förderbänder, Verzögerer, Speicherringe und Fallen, alle auf einem Chip integriert.

Horst Conrad wird uns noch lange in Erinnerung bleiben, nicht zuletzt dafür, dass er Witz hatte und phantasievoll war. Am liebsten erinnern wir uns an seine Bereitschaft, Nachwuchswissenschaftler*innen komplexe Sachverhalte, insbesondere in der Physik, gekonnt und geduldig zu erklären. "Sie standen fast buchstäblich vor seinem Büro Schlange, um ihre Ergebnisse zu diskutieren, und kamen dabei nicht mal unbedingt aus seiner Gruppe oder sogar aus dem Fachbereich," erinnert sich Bradshaw. Einer von ihnen war Prof. Karsten Reuter, jetzt neu berufener Direktor der Theorieabteilung am FHI. Horst Conrad und er arbeiteten in den frühen 2000ern sehr eng zusammen. "Er verbrachte endlose Stunden damit, mich in Katalyse und oberflächenwissenschaftlichen Experimenten zu unterrichten. Seine bescheidene, rein wissenschafts- und inhaltsorientierte Art war außergewöhnlich."

Horst Conrad war ein großer Pädagoge und ein akribischer Forscher. Er nahm die intellektuelle Herausforderung an, alles bis ins kleinste Detail und zu seiner Zufriedenheit zu verstehen. Wir werden ihn vermissen.

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